Irgendwann musste es uns ja auch mal treffen. Es müsste eigentlich jedem klar sein, dass wenn man immer auf dem Meer unterwegs ist, man nicht nur vom Sonnenschein verfolgt wird. Natürlich ist der Blick auf die Wettervorhersage ein sich immer wieder wiederholender Prozess, dem wir mehrmals am Tage nachgehen. So auch am Mittwoch dem 17.08, und dass da was kommt war offensichtlich. Unser Werdegang besteht dann darin verschiedene Wettermodelle miteinander zu vergleichen und dann eine Entscheidung zu treffen was wir tun. Doch diesmal hatten wir die Wahl zwischen Pest oder Cholera.
Menorca befand sich genau unter einem Tiefdruckgebiet. So ein Gebiet ist im Kern relativ schwachwindig, aber aussen rum ist ein Tiefdruckgebiet „links-drehend“. In der Praxis bedeutete dies für uns, dass egal wo wir hin fahren würden, der Wind und die Wellen uns treffen würden.
Hier ein Bild aus dem Internet.

Deutlich zu erkennen, dass sich die Winde um das Tief zum Zentrum hin schlängeln. Dieses Zentrum war in diesem Fall die Insel Menorca. Tja, wohin sollten wir. Was ich sofort erkennen konnte, war, dass unsere jetzige Ankerposition nicht mehr zu vertreten war. Nahe an den Felsen mit unsicherer Wettervorhersage… Nein, ein absolutes No-Go. Recht schnell verholten wir also das Boot in die Mitte der Bucht.
Hier ein Bild der Bucht mit unseren Positionen: auf 1 unser 1. Ankerplatz, auf 2, der zweite.

Die ersten tiefschwarzen Wolken waren bereits in Sichtweite, aber ADESSO stand nun recht weit von allem entfernt, was und gefährlich werden konnte. Keine Felsen und andere Boot konnten uns in die Quere kommen. Wir steckten auch ein gutes Stück mehr an Kette als sonst üblich… sicher ist sicher.
Nach kurzer Zeit fegten dann auch schon die ersten Böen über uns hinweg. Es war irgendwie lustig dem Schauspiel der „fliegenden Sonnenschirme“ zuzuschauen. Gedanken machten wir uns erstmal keine. Wenn ich einem Gegenstand auf unserem Boot vertraue, dann ist es der Anker. 33kg massiver Edelstahl, geformt damit er sich bei höheren Zugkräften noch tiefer eingräbt plus 10mm Kette, welche durch ihr Gewicht den Anker zusätzlich unterstützt und in seiner Position hält.
Wir wägten aber weiter ab… „bleiben“ oder „weg hier“. Wenn „weg hier“ dann wohin? Einen Ritt gegen den bereits starken Wind und hohe Welle in Kauf nehmen um an die Südseite der Insel zu gelangen…? Alleine der Gedanke daran verdrehte einem Teil der Bootsbesatzung bereits den Magen. Scheidet also aus. Zurück in die langgezogene Bucht von Fornells… Auch keine wirkliche Option, da die Bucht bekannt dafür ist einen schlechten Ankergrund zu haben und dazu noch ziemlich tief ist. Also haben wir mal auf das nächste Wetter update der App gewartet. Da zeigte sich, dass wir eigentlich vor den Wellen geschützt sein müssten, welche von Nord-Ost daher kommen sollten. Der Berg oben links auf dem vorherigem Bild versprach idealen Schutz. Entscheidung getroffen: wir bleiben!
Der Abend wurde dann auch recht entspannt. Das Wetter beruhigte sich wieder etwas und wir konnten in gewohnter Art und Weise zu Abend essen.
Ich beschloss dann trotzdem recht schnell die Nacht nicht im Bett zu verbringen, sondern oben im Salon, wo ich alle Instrumente und die Umgebung im Blick habe. Sobald die Dämmerung auf uns einbrach ging es dann auch schon los. Heftige Böen zerrten an ADESSO. Unangenehm war es schon, ja. Aber nicht ungewohnt. Solche Situationen hatten wir schon einige. Deshalb auch das Vertrauen in unseren Anker. Um 23:00 Uhr wurde es auf einmal taghell. Nicht nur ein Blitz erhellt die Umgegend, nein eine ganze Serie von Blitzen. Die ganze Nacht über war alles wie mit einem Flutlichtstrahler beleuchtet. Der eine Blitz war noch nicht erloschen, da war der zweite schon im Anmarsch. Eine Gespenstige Situation. Du stehst draussen um 23:30 an Deck, es fegen Böen mit über 40 Knoten durch die Bucht, über dir ein Schauspiel, welcher in jedem Weltuntergangs Film als Finale dienen könnte. Kurz darauf fallen die ersten Tropfen. Mann konnte noch nicht einmal den Satz aussprechen, da dreschte es schon auf uns nieder wie verrückt. Vom Salon aus konnte man nicht mal mehr das aufgerollte Vorsegel erkennen. Die Blicke hingen gebannt auf den Navigationsinstrumenten, welche uns unsere Position und die Windgeschwindigkeit anzeigten.
Alles o.k. soweit. Der Regen wurde nach einer Stunde weniger und liess dann komplett nach. Auch der Wind flaute etwas ab. Ich ging nach draussen um nach dem Rechten zu sehen, konnte aber glücklicherweise nichts Aussergewöhnliches finden. Nach dem Unwetter sah ich, dass zwei Boote dabei waren ihre Ankerposition zu wechseln (wir waren 4 Boote in der Bucht). Ein fataler Fehler wie sich später herausstellt. Ein Boot stellte sich genau auf die Stelle die wir am Tag verlassen hatte, ein anderes längs der Felswand zum Strand hin. Wir und die andern dachten, das wäre es jetzt gewesen, aber schon 2 Stunden später wurden wir eines Besseren belehrt.
Wie mit einem Hammerschlag knallte die 1. Böe auf uns nieder. Verdutzte Blicke gingen nach vorne und in den Himmel! Die Blitze in der Wolkendecke hatten nicht nachgelassen, so war es mitten in der Nacht immer so hell dass man ohne Probleme seine Umgebung klar erkennen konnte. Kurz nach der 1., die 2. Böe. Dann fegte es durch die Bucht wie verrückt. Ununterbrochen flog ADESSO von links nach rechts, immer heftiger.
Ein Katamaran hat ein zusätzliches Seil, welches von der Ankerkette links und rechts zum Bug geführt wird. Dieses Seil soll das Schwingen von links nach rechts minimieren und die Last auf die zwei Rümpfe verteilen. Schon als wir die Adesso ausgeliefert bekommen haben, war mir diese Befestigung der Seile am Rumpf ein Dorn im Auge. Auch recht schnell hatte ich es umgeändert (ohne jetzt in Details gehen zu wollen). Das neue Setup bestand aus Ruckdämpfer und Befestigungsösen, welche eine Bruchlast von je 4500kg haben.
Auch diesmal stand der Windmesser auf deutlich über 40 Knoten. Der ebenso heftige Regen liess auch nicht lange auf sich warten. Was anders war, war die Windrichtung. Genau in die Bucht hinein! Die Wellen bauten sich ziemlich schnell zu hohen Wellenbergen auf. Raymonde geht von über 2.5 Meter aus. Ich liege eher bei 2 Meter. Da standen wir nun im Salon und mussten uns festhalten um nicht durch die Gegend geschleudert zu werden. Chico war nur noch ein 7kg Haufen Hundeelend, aber meine Sorgen waren woanders.
In weiser Voraussicht ging ich nach draussen und entfernte die Abdeckungen der Instrumente. Kurz danach schaltete sich der Kartenplotter selbständig ein, so heftig und fest knallten die Regentropfen auf das Touchscreen. Irgendwann habe ich ihn einfach eingeschaltet gelassen und ging wieder ins Trockene.
Die Kombination vom Wind mit dem Umherschwingen von Adesso hatte sich nicht geändert. Eine Komponente kam jedoch dazu. Die Welle. Immer wieder erwischte der Wellenberg das Boot im denkbar schlechtesten Moment. Immer wieder dann, wenn die Belastung schon auf einer Seite extrem hoch war, setzte die Wellen noch einen drauf. Heftige Schläge, mal auf der linken Seite, mal auf der Rechten. Meine Sorgen um das Boot wurden immer grösser. Ich machte mir Gedanken darüber die Motoren zu starten, und etwas nach vorne Richtung Anker zu fahren, um somit dem Druck von der Kette zu nehmen. Als ich Raymonde meinen Plan mitteilte, war Sie nicht sehr begeistert. Zu gross war ihre Sorge das Boot nicht in Position halten zu können, wenn ich aus irgendwelchen Gründen den Steuerstand verlassen müsste,
Das Gespräch wurde dann auch recht abrupt unterbrochen. Ein lauter Knall von vorne rechts lies uns erstarren. „Da hat es was zerfetzt“ sagte ich noch, und schon flog ADESSO regelrecht von Rechts nach Links, gefolgt vom heftigem Krachen der Kette, die mit voller Wucht in die Ankerwinde donnerte.
O.K. Apokalypse!
Ich riss die Schiebetür auf, und war sogleich patschnass. Während ich noch ne Regenjacke überzog, bat ich Raymonde das Deckslicht einzuschalten.
Unter strömendem Regen, bei über 40 Knoten Wind und Wellen von 2m+ auf einem wild bockendem Kamel zu balancieren ist auch nicht so ohne.
Vorne angekommen war klar: Das rechte Seil hat es zerrissen. einfach in der Mitte durch. Man sagt, dass ein Seil an einem Knoten viel von seiner Bruchlast verliert, aber hier ist es einfach vor dem Ruckdämpfer zerfetzt. Bei jeder Welle und jedem Windschlag knallte nun die Ankerkette mit voller Wucht in die Winde, rechts gegen die Edelstahlhalterung in welcher der Anker bei Fahrt in Position gehalten wird und schrammt unter dem vorderen rechten Rumpf hin und her.
Meine Priorität bestand dann erstmal den Druck von der Winde zu bekommen. Das ging noch relativ zügig mit einem Stück Seil, das ich durch ein Kettenglied gezogen habe und an einer Klampe neben der Winde fixieren konnte. Alternativ hätte ich etwas Kette mehr herunterlassen können, aber dann wäre das ganze Boot nur noch an einem einzigen Punkt gesichert. Keine Option, wenn man sich vor Auge führt, dass sich vor wenigen Minuten das gleiche Seil auf der anderen Seite verabschiedet hat!
Wir taumelten also wieder zurück zum Steuerstand und starteten die Motoren um im Fall der Fälle schnell reagieren zu können. In Zwischenzeit hatten wir 5:00 Uhr. Im Schein der Blitze konnte ich erkennen, dass sich neben uns ein Desaster abspielte, dazu komme ich später noch.
Wir beschlossen, egal wie, sobald die Sonne aufgeht, und wir nicht nur durch Blitze unsere Umwelt wahrnehmen, lichten wir den Anker und machen uns auf die Südseite von Menorca.
Mit der Gewissheit, dass es ruppig weitergeht, warten wir also noch ab. Eine endlos lange Zeit. Immer wieder und unaufhörlich krachte Adesso in sein verbleibendes Ankergeschirr. Ein Geräusch das in einem selbst Schmerzen auslösen kann…
Dann endlich, erste Zeichen von Sonnenaufgang sah man sich anbahnen. Also nix wie weg!
Da hat man dann das Elend gesehen. Zwei von 4 Segelyachten hat es erwischt. Eine lag seitlich auf dem Strand. Die andere (welche auf unseren alten Platz umgeankert hatte), lag in den Felsen. So unglücklich mit dem Kiel in einem Vorsprung verkeilt, dass Sie bei jeder Welle gegen den Felsen, und wieder zurück auf den Vorsprung geschmettert wurde. Als wir unseren Anker hochnahmen, sahen wir noch Blaulicht auf den Strand zukommen. Aber wir konnten nicht helfen. Wir hatten genug damit zu tun unsere eigene Haut zu retten. Rückwirkend betrachtet stellten wir uns natürlich die Frage ob und wie wir hätten helfen können. Doch auch mit etwas Abstand denke ich, dass es für uns in unserer Situation unmöglich war Hilfe zu leisten. Wir wären nicht mal ohne Blessuren an Land gekommen…
Also los…! Äh Nein. „Da klemmt etwas“! Ruft mir Raymonde zu. „Ach du Kacke“, dachte ich. Jetzt hatten wir genau die Situation welche Raymonde zu Bedenken hatte. Sie musste das Boot mit den Motoren gegen Wind und Welle auf Position halten während ich mir anschauen wollte was da so klemmt. Der Edelstahl-Schäckel, welcher das Seil mit dem Anker verbindet lies sich nicht mehr lösen. Der Sicherungsstift sass so fest, da war mit den blossen Händen nix zu machen. Also schnell zurück und mit Werkzeug bewaffnet wieder aufs Vordeck. Ein paar beherzte Schläge später war die Verbindung gelöst und wir konnten die Positionen wieder tauschen. Raymonde an der Ankerwinde und ich am Steuerstand. Auch nur so zum Veranschaulichen. Dieser Schäkle ist ausgelegt um Lasten von 3500kg stand zu halten. War aber jetzt langgezogen wie ein Gummiteil!
Da waren unvorstellbare Kräfte am Werk!
Jetzt aber: Also los…, gegen Wind und Welle im wilden Ritt aus der Bucht raus. Beide Motoren liefen unter Volllast, dennoch erreichten wir nur eine Höchstgeschwindigkeit von 2,5 Knoten. Nach jeder kleinen Kursänderung wurde es in (sehr) kleinen Schritten besser. Die Wellen waren zwar immer noch hoch, aber nicht mehr genau von vorne. Mit einem Hauch von Vorsegel und einem Motor (Zur Sicherheit) machten wir Meile um Meile gut. Nach etwas über 3 Stunden waren wir aus dem Gröbsten raus… vorerst. Wir steuerten die erste Bucht an und der Anker fiel dort in ruhigem Wasser. Erst hier konnte ich mir die Zeit nehmen das Boot genauer nach Schäden zu untersuchen. Neben der zerrissenen Leine und dem Schäkle sind beide Halteösen (man beachte 4500kg Bruchlast) verbogen. Gut, die Ösen sind nicht gebrochen, aber dennoch! Auch die Halterung für den Anker hat es verbogen. Sonst konnte ich erstmal nichts feststellen. Später beim Abschnorcheln vom Rumpf sah ich dann noch, dass unsere Antibewuchs-Beschichtung an der unteren Kante vom linken Rumpf an ein paar kleinen Stellen durch die Kette abgeschliffen wurde.
Da sind wir nochmal mit nem blauen Auge davon gekommen. Denn die selbe Gewitterfront hat auf Korsika reihenweise Yachten auf den Strand und in die Felsen geworfen.
Sofort habe ich begonnen das fehlende Seil zu ersetzen und alles mit Bordmitteln so gut es eben geht wieder in Stand zu setzten. Dem war auch gut so, denn gerade 2 Stunden nachdem ich fertig war ging es wieder los. Heftiger Regen und Böen von über 30 Knoten. Doch diesmal ohne diese hohen Wellen. Die Sicht reduzierte sich wieder bis auf das Vorsegel. Bangend stand ich hinter dem Fenster und beobachtete die Bewegungen von Adesso…. wird mein Provisorium der Situation standhalten?
Ja, alles hat gehalten, es klarte wieder auf und die Sonne kam zum Vorschein.
Und wieder hatten wir Glück im Unglück. 1. dass ich mich sofort an die Reparatur gemacht habe, 2. dass ich das Benötigte an Bord hatte und noch ein 3. wie wir später erfahren haben. Nämlich sind einen knappen Km von uns entfernt Hagelkörner so gross wie Hühnereier vom Himmel gefallen. In einer Stunde ergossen sich ganze 37 Liter pro M2 auf die Insel! Den Regen haben wir abbekommen, den Hagel aber glücklicherweise nicht.
Das war es erstmal!
Fotos gibt es keine! Ich finde es nicht moralisch vertretbar das Elend und Unglück anderer Leute hier zur Schau zu stellen. Da kann jeder selbst darüber urteilen wie er will. Wer sich dennoch Bilder anschauen möchte, braucht nur die Tante Google nach „Sturm Menorca“ oder Sturm Korsika“ zu befragen.
In diesem Sinne, immer eine Handbreite Wasser unter dem Kiel.
Guy
Wow,
chapeau, jedem das seine , soguer beim liesen schuddert et mech.
Ech hoffen daat dee Situationen absolut Ausnahm bleiwen a wënschen Iech 3 vill flott Deeg op der Adesso
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