Heute, genau vor einer Woche, ist Guy am Sonntag morgen sehr früh in Breskens gestartet. So gegen 5 Uhr habe ich Chico und meine Tasche auf den Steg gesetzt und musste zusehen wie Guy ein Festmacher nach dem anderen löste. Ganz schnell schossen mir wieder die Erinnerungen an La Rochelle vor einem Jahr durch den Kopf. Da stand ich auch auf dem Steg und schaute zu, wie er langsam aber sicher die Hafenausfahrt ansteuerte. Aber diesmal sollte es noch ein kurzes Wiedersehen an der Tankstelle geben, bevor Guy „richtig“ wegfährt. Während Guy sich auf den Weg zur Tankstelle machte, packte ich Chico in den Wagen und fuhr schnell zur Tankstelle um Guy dort mit den Seilen zu helfen. Wir waren uns einig, dass ich ihm wohl mehr von draussen helfen könnte, indem ich ihm die Seile zuwerfe, als wenn ich noch mit an Bord sei. Denn an der Tankstelle gab es so ein komisches Geländer, welches es ziemlich unmöglich machte die Klampen durch Werfen der Seile zu erwischen (Das hatten wir schon am Vortag ausgekundschaftet). Leider sollte unser Plan nicht wirklich klappen, denn als ich beim Tankstellensteg ankam, stand ich vor verschlossener Tür. Grrr… Ich sah, dass Guy schon dabei war sich seitlich der Tanke zu nähern, also gab es nur eine Möglichkeit: über diese blöde, mit Spitzen gesicherte, Tür klettern. Parkour ganz realitätstreu 😉
Ohne mir den Short aufzuschlitzen kam ich durchgeschwitzt an der Tankstellen an und half Guy beim Festmachen. Alles klappte einwandfrei…Ufff. Doch dann, als ich die Kreditkarte in den Tankautomaten einstecken wollte, kam die unschöne Nachricht: „uit gebruik“, was soviel heisst wie „ausser Betrieb“. Na super, das fing ja schon wieder gut an. Also blieb Guy nichts anderes übrig als mit 88% Tankinhalt loszufahren, was normalerweise auch reichen müsste, aber mit einem vollen Tank starten, verleiht einem dann doch ein sichereres Gefühl. Jetzt stand mir dann aber wirklich der richtige Abschied bevor, aber er wurde kurz und schmerzlos, denn Guy wollte nun zügig weg, hatte er doch jetzt schon unnutz Zeit verloren. Denn er wollte, so viel und so lange es geht, von der auslaufenden Strömung profitieren, um sich so schnell wie möglich Calais zu nähern, damit er noch bei Tageslicht diese vielbefahrenen Wasserstrassen passieren kann. Ich machte noch rasch dieses letzte Foto als er die Hafenausfahrt ansteuerte.

Schnell machte ich mich auf den Weg zurück zum Wagen, denn ich wollte noch etwas nördlicher zum Strand fahren, in der Hoffnung noch ein paar Blicke auf Guy und Adesso zu erhaschen wenn er vorbeifährt. Diese blöde Tür hatte ich ja schon ganz vergessen. An der Tür angekommen, stieg ein älterer Mann aus einem Wagen und schaute ganz verblüfft, als er mich hinter der Tür sah und fragte mich auf Niederländisch, wie ich dahin gekommen wäre und was ich da machen würde. Ich erklärte ihm mit Händen und Füssen auf Deutsch und English, dass ich meinem Mann beim Tanken helfen wollte, diese aber nicht funktionniert hätte und dass er jetzt alleine weggefahren ist und ich jetzt wieder zum Wagen müsste. Ich fragte ihn, ob er vielleicht die Türschlüssel hätte, was er bejahte…toll wird jetzt jeder denken…aber nein, er machte mir die Tür nicht auf sondern meinte, er würde mir nicht glauben, dass ich da drüber gestiegen wäre…das solle ich ihm beweisen und noch einmal drüber klettern…Naja, es war mir dann einfach zu dumm um noch weiter zu diskutieren, also kletterte ich noch einmal drüber, setzte mich in den Wagen und fuhr weg. Er stand nur da und sagte kein Wort mehr…hoffentlich würde er mich nicht beim Hafenmeister oder so verpfeifen…aber ich war ja jetzt ohnehin weg…
Ich fuhr zum Parkplatz am Leuchtturm, holte Chico schnell aus seiner Transporttasche und lief den Weg hoch durch die Dünen zum Leuchtturm.

Am Leuchtturm angekommen, stellte ich glücklich fest, dass ich noch rechtzeitig hier am Strand angekommen bin, denn von Weitem sah ich Adesso näher kommen. Ich lief parallel am Strand entlang und versuchte so gut es ging mit Adesso mitzuhalten, damit ich Guy noch so lange wie möglich sehen konnte. Adesso war richtig schnell unterwegs, dank der auslaufenden Strömung und es sah richtig toll aus mit Vlissingen im Hintergrund und der aufgehenden Sonne.

Auf der einen Seite war dieser Anblick wunderschön, auf der anderen Seite fühlte ich wie die Emotionen immer mehr hochkochten, je weiter Guy sich Richtung Nordsee entfernte. Bald sah ich nur noch einen winzig kleinen Punkt, der kurz darauf ganz verschwunden war.
Es war genau das gleiche Gefühl wie in La Rochelle…dieser Trennungsschmerz, diese Angst, dass etwas schief gehen könnte und der Wunsch, dass bitte alles klappen wird. Wenn ich ehrlich bin, dann hoffe ich, dass dies das letzte Mal war, wo ich Guy alleine wegssegeln sehe. Es ist einfach ein beschissenes Gefühl…
So machte ich mich auf den Weg zurück zum Wagen, versuchte noch den einsamen Strand und das Meer zu geniessen, denn noch waren Chico und ich die einzigen hier am Strand.

Doch mein Kopf war nicht frei…meine Gedanken waren bei Guy.
Guy kam anfangs wie geplant sehr gut voran und schaffte auch noch bei Tageslicht an Calais und dem Cap Griz-Nez vorbei. Danach schlief der Wind aber immer mehr ein und das bischen Rückenwind reichte nicht aus um gegen die Strömung anzukommen, so dass die Nacht über weiter motort werden musste. Guy hatte sich in Breskens noch nicht festgelegt, ob er nach Cherbourg oder sofort weiter nach Abervrac fahren würde. Da Segeln unter diesen Umständen nicht möglich war, entschloss er sich Cherbourg anzusteuern. Ich verfolgte ihn natürlich auf dem Satellitentracker und war richtig erleichtert als er in Cherbourg angekommen war. Nach ein paar Tagen ausruhen, putzen und Boot polieren ist Guy dann wieder aufgebrochen mit dem erneuten Ziel Abervrac. Aber der Ärmelkanal wird ihm wohl definitiv in keiner guten Erinnerung bleiben, denn auch bei diesem Törn war der Wind anfangs sehr schwach und aus unterschiedlichen Richtungen. Dann kam auch noch dicker Nebel hinzu und überall Fischerboote die in der Nacht Adesso umkreisten. Guy sagte mir später, dass er sich gefühlt hätte, als wäre er mitten in einem Ameisenhaufen…gar nicht schön!

Hier ein Foto einer Nebelbank bei Tag, wo man dann von einem Augenblick auf den nächsten nichts mehr erkennen kann….gruselig:

Das ist dann richtig stressig und an Ausruhen und einen Moment Entspannen ist nicht zu denken.
Als dann auch noch in der zweiten Hälfte der Nacht der Wind immer stärker wurde und Adesso genau auf die Nase blas, entschied sich Guy erneut nicht bis nach Abervrac zu fahren, sondern nach Roscoff abzudrehen. Eine sehr gute Entscheidung wie ich finde 🙂
Im Moment ist Guy noch immer im Hafen von Roscoff und das ist auch gut so, denn heute abend zieht ein Tief vom Atlantik kommend Richtung Nordosten, mit Windspitzten von bis zu 50 Knoten.
Wenn das Wetter sich dann in den nächsten Tage hoffentlich beruhigt und der Wind dann vielleicht, hoffentlich, endlich dreht und aus einer günstigeren Richtung kommt, dann wird Guy sich auf die nächste Etappe durch die Biskaya machen, vielleicht mit einem vorigen Zwischenstopp in Abervrac, je nachdem wie sich das Wetter entwickeln wird.
Hier die ganze Strecke die Guy bis jetzt bewältigt hat, seitdem er in Breskens gestartet ist:

Währendessen hielt ich hier in Luxemburg die Stellung und kam, neben Putzen und Aussortieren, meinen beruflichen Verpflichtungen nach. Und es wird immer leerer hier im Haus, denn seit vergangenem Montag ist auch unser Bett verkauft. Das Sofa muss jetzt noch die restliche Zeit bis zur Schlüsselübergabe als Bettersatz dienen. Ein paar angenehme Wiederseh-Abschiedessen mit Freundinnen standen diese Woche aber auch noch auf dem Programm 😉
Aber meine Woche war mit Sicherheit weniger interessant, anspruchsvoll und stressig wie die von Guy…
Es wird Zeit, dass wir uns bald in A Coruna wiedersehen…ich vermisse ihn!
Raymonde