Adesso schwimmt wieder!
Es hat geklappt… wir konnten unseren Krantermin einhalten und Adesso kam wie geplant zurück ins Wasser.
Es war auf der einen Seite ein sehr befreiendes Gefühl, endlich war der langersehnte Tag gekommen. Auf der anderen Seite machten sich auch gemischte Gefühle breit… „ist alles dicht“, „springen die Motoren sofort an“, verläuft das Aufkranen ohne Probleme usw. Es ist doch ein spezieller Anblick und immer wieder aufregend.


Aber es ging alles gut und es war alles dicht…UFFF!

Wir durften die erste Nacht im Wasser noch am Wartesteg des Werftgeländes verbringen. Nach langem Flehen und gutem Zureden, hatten die Werftarbeiter für uns ein paar kleinere Segelboote verlegt und„Platz gemacht“. Der Steg ist einfach nicht ausreichend gross genug für die hohe Anzahl an Booten die hier abgefertigt werden.
Daher baten sie uns vor Schichtbeginn, wenn möglich, den Steg zu verlassen, damit wieder ausreichend Platz für die nächsten Boote vorhanden ist. Ok…damit konnten wir leben… So beschloss ich spontan uns abends noch ein letztes Mal einen Hamburger aus „unserem“ Petit Grill Restaurant zu bestellen und in die Werft liefern zu lassen. Dieser schmeckte uns dann besonders gut, denn er besiegelte irgendwie die Etappe „Werftarbeiten“. Wir waren zufrieden…endlich wieder auf dem Wasser 🙂
Die nächsten Tage ankerten wir in der grossen Bucht vor Port Saint Louis du Rhône, nicht weil es hier so schön ist, sondern weil wir hier vor dem ständig wehenden Südwind geschützt waren. Tagsüber wurde entweder das Boot allmählich vom ganzen Werftstaub befreit oder wir fuhren raus um unsere Segel und unseren neuen Code D zu testen.



Guy musste ein paar Änderungen an den Seilen vornehmen und vor allem die Mastschienen mussten geputzt und eingeschmiert werden, damit das Grosssegel leichter gesetzt und geborgen werden konnte. Leider bemerkten wir bei jedem Ankermanöver, dass die Kette unsauber läuft und sich total verdreht beim hoch- und runterlassen. Das gefiel uns gar nicht. Wir grübelten sehr lange über die mögliche Ursache. Die nächsten Tage verbrachte Guy mit Recherchieren, wie man das Problem lösen könnte und machte sich an die Arbeit einen Prototypen einer Art „Führungsschiene“ zu zeichnen, damit die Kette in einem besseren Winkel in die Ankernuss gezogen wird. Nach und nach kam er der Lösung etwas näher. Es funktionnierte immer besser. Als wir dann der Meinung waren, das Problem gelöst zu haben, flog das Teil uns um die Ohren. Also wieder auf ein Neues 😦
Mittlerweile hatten wir auch herausgefunden, dass das Problem, der sich verdrehenden Ankerkette, wohl sehr verbreitet ist und viele Segler fälschlicherweise dem Anker die Schuld geben.
Natürlich beobachteten wir zeitgleich auch immer wieder die Wetterprognosen, denn wir wollten ja auch irgendwann weg aus Port Saint Louis du Rhône. Wir hatten uns ja dazu entschlossen, dass Guy nach La Rapità aufbricht, wenn die Wetterbedingungen stimmen und ich mit dem Wagen runterfahre. Jetzt sah es so aus, als würde der Wind bald für 3 Tage auf Nord drehen. Das wäre die Gelegenheit unter Segel Richtung Spanien aufzubrechen. Leider, wie bei Mistral so üblich, war auch ziemlich starker Wind vorausgesagt, aber Guy meinte, „dann würde es auch vorwärts gehen“…Ich hatte jetzt schon Muffesausen, denn ich ahnte, wie schrecklich ich mich wieder fühlen würde, wenn er alleine unterwegs ist…
Dann war es soweit. Nach dem gemeinsamen Frühstück, brachte mich Guy mit dem Beiboot zurück zur Werft, wo ja noch (hoffentlich) unser Wagen auf dem Parkplatz stand. Guy half mir noch mit den Koffern und vergewisserte sich, dass der Wagen ansprang und noch alle Reifen dran waren. Dann verabschiedeten wir uns und schon war dieser Klotz wieder in meinem Hals. Ich stand noch am Steg bis das Beiboot nicht mehr zu sehen war. Dieses Sch…ssgefühl war wieder da, diese Angst…hoffentlich geht alles gut, hoffentlich kommt er gut an…
Bevor ich mich auf den Weg machte, hatte ich im Dorf noch ein paar Sachen zu erledigen. Zwei letzte Amazonlieferungen warteten noch auf uns, Mer Calme Tabletten gegen die Seekrankheit wollte ich mir noch besorgen, noch ein letzter Besuch im Intermarché stand an…dann machte ich mich auf den Weg. Ich hatte das Glück ein paar Tage bei guten Freunden wohnen zu dürfen, die ein schönes Ferienhaus in Südfrankreich besitzen. Die Vorfreude war gross, die Aufregung und Angst im Hinterkopf aber auch. Natürlich verfolgte ich Guy auf Vesselfinder und Marine Trafic und glich immer wieder seine Position und Geschwindigkeit mit den mir vorhandenen Wetterdaten ab. Das sah, aus der Ferne (!), eigentlich alles ziemlich gut aus. Er konnte zwar anfangs keinen direkten Südkurs segeln, aber das wussten wir, doch er kam gut voran…meistens mit 6-7 Knoten. Gegen Abend sah ich, dass Guy sich immer mehr auf Südkurs befand und war der Meinung, jetzt hätte er „angenehmen Wind“ und Wellen von hinten…
Aus der Ferne sah alles ziemlich gut aus, wie vorhergesagt und ich war guter Dinge, dass diese erste Ûberfahrt mit „New“-Adesso angenehmer und weniger anstrengend werden würde als die ersten Fahrten vor 4 Jahren im Atlantik. An Tag 2 hatte Guy schon richtig Strecke gemacht und befand sich ungefähr auf der Höhe von Girona. Ich war fest überzeugt, dass er jetzt bald den „schlimmsten Teil“ geschafft hätte, da er jetzt näher am Land, im Wellenschutz unterwegs sei. Umso härter und unvorbereiteter traf mich seine Sprachnachricht: ich solle aufhören zu schreiben, er könnte nicht aufs Handy schauen, er würde ununterbrochen hin und her geworfen, die Bedingungen wären schrecklich, eine Kreuzsee mit furchtbaren unangenehmen Wellen aus allen Richtungen und pausenlos hart am Wind (also nicht wie gedacht und vorhergesagt, Wind und Wellen von hinten!) Ich solle aufhören zu schreiben, ihm wäre schlecht 😦
Das war ein Schock! Guy wird „nie“ seekrank…jetzt machte ich mir echt Sorgen, aber so richtig! Denn erschwerend kam hinzu, dass es anfing mit Dämmern und er nicht mehr weit von der Einfahrt von Barcelona entfernt war. Er würde also in der Nacht durch dieses vielbefahrene Gebiet mit Containerschiffen durchfahren müssen und das bei Übelkeit und nach über 36 Stunden Fahrt ohne Schlaf 😦
Ich zweifele definitiv nicht an Guy’s Fähigkeiten und traue ihm sehr viel zu, aber der Gedanke, dass er seekrank ist, der machte mir richtig Angst! Ich übertreibe nicht, wenn ich schreibe, dass ich in dieser Nacht bestimmt jede 20 Minuten aufs Handy gestarrt habe. Erst als er gegen 2 Uhr in der Früh an Barcelone vorbei war, konnte ich innerlich ein bischen aufatmen. Als er sich bei Tageslicht immer weiter dem Ebrodelta näherte, fühlte ich wie nach und nach die Spannung auch bei mir etwas abfiel.

Bald hatte er es geschafft…ich war so froh und erleichtert als er schrieb, der Anker wäre eingegraben und er würde jetzt mal duschen gehen und sich anschliessend ein kaltes Bier mit Chips genehmigen!!!
Am kommenden Morgen machte ich mich dann auch auf den Weg und erreichte Sant Carles de la Rapità nach 5 Stunden Nonstoppfahrt. Der Drang Guy wiederzusehen war wohl so gross, dass ich nicht mal eine Pippipause einlegen musste 😉
In der Sant Carles Marina angekommen, fühlte sich alles sofort wieder vertraut an…ein Gefühl des „wieder angekommen seins“. Bevor Guy mich mit dem Beiboot abholte, besorgte ich sofort noch ein paar frische Lebensmittel. Dann, endlich, konnte ich ihn wieder in die Arme schliessen!
Seitdeem sind wir jetzt hier vor La Rapità an der langen Sandzunge vor Anker, denn hier stehen wir bei der aktuellen Wetterlage gut geschützt. Das Wasser hat zwar keine schöne Farbe und schimmert nur grünlich, aber der Ankerplatz ist schön gross und es gibt keine Party-und Aaschwackelboote. Dafür, dass es jetzt volle Hochsaison ist, stehen wir hier wirklich total ruhig und das geniessen wir. Vor allem morgens herrscht eine wunderbare Stille.



In den letzten Tage haben wir weiter fleissig Adesso auf Vordermann gebracht. Während ich mich dem Säubern der Badezimmer und Kojen, der Sitzpolster und dem Flexiteac gewidmet habe, hat Guy unseren Edelstahl poliert, weiter an der Ankerwinschverbesserung gefeilt und noch einmal die ganzen Mastschienen geschmiert.

Ausserdem nutzen wir die Gelegenheit hier vor Ort auch die erste Wartung der Motoren durch einen Yanmar Fachhändler durchführen zu lassen. Dies ist obligatorisch damit die Garantie gültig ist. Wir hatten Glück so kurzfristig einen Termin zu bekommen, aber es hat geklappt.
Doch, wir fingen jetzt auch so langsam an, den einen oder anderen Moment auf unserer neuen Adesso einfach nur zu geniessen. So bietet sich die Flybridge wunderbar an um hier gemütlich ein Apero zu trinken oder den Sonnenuntergang auf sich einwirken zu lassen.



Nach und nach werden wir unsere Lieblingsecken finden. Bis jetzt, war ja hauptsächlich nur Arbeiten an Bord angesagt, da war noch keine Zeit um die Vorzüge von „new“Adesso kennenzulernen, noch keine Gelegenheit zum Relaxen…aber das wird sich jetzt ja wohl hoffentlich ändern.
Hier ein paar schöne Fotos die die Bamboo’s von uns gemacht haben, als sie mit ihrem Katamaran an uns vorbei fuhren, um Hallo zu sagen.


Bruno und Sandrine mit ihrem süssen Hund Candie waren unsere Stegnachbarn während der Wintermonate. Beide haben vor nach Martinique auszuwandern, vielleicht treffen wir uns da ja einmal wieder.
Im Moment stehen wir in den Startlöschern um rüber auf die Balearen zu segeln, aber der Wind ist im Moment leider meistens sehr ungünstig. Heute morgen haben wir schon mal die Dieseltanks gefüllt, damit wir startklar sind, sobald sich ein mögliches Wetterfenster auftut. Mit ein bischen Glück, könnte es für Montag – Dienstag klappen, voraussichtliches Ziel Mallorca. Mal abwarten…
Raymonde